Mary Shelley: Frankenstein oder der moderne Prometheus

Der Roman beginnt am eigentlichen Ende der Geschichte, irgendwann im 18ten Jahrhundert. Ein Forschungsschiff in der Arktis rettet einen völlig entkräfteten und schwer kranken Mann aus dem Packeis - es ist Viktor Frankenstein. Als sich dieser an Bord langsam erholt, fasst er Vertrauen zum Expeditionsleiter, Kapitän Walton, und erzählt ihm seine Lebensgeschichte. Walton schreibt sie nieder - in Briefen an seine Schwester in London.

Eingebettet in die Briefe Waltons berichtet Frankenstein als Ich-Erzähler in 24 Kapiteln aus seinem Leben.

Bereits als Kind von schier unstillbarem Wissensdrang getrieben, beschäftigt er sich mit den Werken der früher Gelehrter und Naturphilosophen. Nach dem Tod seiner Mutter reist er Im Alter von 17 Jahren nach Ingolstadt, um dort an der Universität Naturphilosophie, Chemie und Medizin zu studieren.

Hier vertieft er sich in die Bücher, vervollkommnet sein Wissen und verfällt hier dem unstillbaren Drang menschliches Leben zu erschaffen. Rastlos beginnt er die fixe Idee in die Realität umzusetzen. In einer düsteren Novembernacht gelingt ihm das Unfassbare - er erweckt die Kreatur zum Leben. Es ist ein hässliches, unansehnliches Geschöpf, zusammengeflickt aus Leichenteilen. Entsetzt über den Ausgang seines Experiments und abgestoßen vom grauenhaftem Äußeren der Kreatur flieht er aus dem Labor und überlässt das unglückliche Geschöpf seinem Schicksal.

Ausgezehrt von der monatelangen kräfteraubenden Arbeit und dem entsetzlichen Ausgang erkrankt Viktor an Nervenfieber. Nur langsam geht die Genesung voran - Gedanken an die Kreatur sucht er zu verdrängen. Doch sie holt ihn ein und das Schicksal schlägt erbarmungslos zu.

In der Schweiz wird sein kleiner Bruder ermordet. Viktor reist überstürzt nach Genf und begegnet bei seiner Ankunft einer großen, grobschlächtigen Gestalt - seiner Kreatur. Ihm wird klar, dass sie für den Tod seines Bruder verantwortlich ist, für alle anderen war das Hausmädchen die Mörderin - sie wird hingerichtet. Von schweren Schuldgefühlen geplagt, streift er durch die Umgebung und trifft dort auf seine Kreatur.

Nach der Flucht aus dem Labor versteckt sich das Geschöpf in den Wäldern um Ingolstadt. Unentdeckt lebt es bei einer Bauernfamilie, lernt dort durch Beobachtung aus einem Versteck heraus zu sprechen und zu lesen. Mit dem sehnlichen Wunsch nach menschlicher Nähe nimmt es Kontakt zu seinen Wirten auf, diese erschrecken aber, prügeln auf es ein und fliehen entsetzt. Zurückgewiesen, geschlagen, gedemütigt und wütend auf seinen Schöpfer beschließt die Kreatur ihn zu suchen. Wo es ihn finden wird hat das Wesen im Tagebuch Frankensteins gelesen, das ihm bei seiner Flucht aus dem Labor in die Hände gefallen war.

Frankenstein erfährt, dass der Tod seines Bruder ein Unglück war. In verzweifelter Einsamkeit nähert sich die Kreatur dem kleinen Jungen - sucht seine Hilfeschreie zu verhindern und erwürgt ihn dabei versehentlich. Selbst sehnt sich das Geschöpf nach Liebe und Zuneigung und fordert von Frankenstein ihm eine Partnerin zu erschaffen - ebenso hässlich und abstoßend wie er. Seine eigene schwere Schuld an den Ereignissen eingestehend, stimmt Frankenstein zunächst zu.

Auf einer schottischen Insel macht sich Frankenstein ans Werk, kurz vor der Vollendung schreckt er aber vor den möglichen Folgen zurück und vernichtet die noch tote Gefährtin seiner Kreatur. Sein Geschöpf ist rasend vor Zorn und tötet zunächst Frankensteins besten Freund, zurück in der Schweiz auch seine junge Braut. Aus Kummer stirbt Frankensteins Vater nach den vielen Schicksalsschlägen.

Nun sinnt Frankenstein auf Rache und beschließt seine Kreatur zu töten, jagt sie bis in die Arktis. Hier verlassen ihn jedoch die Kräfte, er wird von dem Forschungsschiff gerettet, stirbt aber wenig später an Bord. Dort findet die Kreatur ihren toten Schöpfer - in tiefer Trauer und Selbstverachtung tötet sich das arme Wesen auf einem Scheiterhaufen im ewigen Eis.


Motive des Romans

Neben der aufwühlenden Tatsache, dass es gelingen könnte Tote zum Leben zu erwecken, wirft Mary Shelley mit ihrem Werk eine Reihe von Fragen auf:

Darf der Mensch Gott spielen, in dessen schöpferische Rolle schlüpfen oder sollten seinem Handeln Grenzen gesetzt sein? Eine Frage die sich schon aus dem Untertitel des Buches „der moderne Prometheus“ erklärt.

Gibt es eine Vorbestimmung (Determination)? Sind die Handlungen eines Wesens bestimmt durch seine Materie, durch das „Material“ aus dem es erschaffen wurde, ist dieses „Material“ nebensächlich und die Handlungen durch Gesellschaft und Umwelt beeinflusst, oder ist ein Wesen in seiner Entwicklung grundsätzlich frei von Einflüssen durch „Materie“ und Umwelt?

Einhergehend damit natürlich auch die Frage, ob ein Wesen von Natur aus böse ist, oder ob sein Verhalten durch seine Sozialisation bedingt wird, als ein Ergebnis seiner Erfahrungen, die es mit seiner Umwelt macht? Wie die Kreatur, die auf der Suche nach Zuneigung und Liebe nur Ablehung und Hass erfährt und schließlich zum mordenden Monster wird.